Die Relevanz der Gedenktage im Frühjahr

Frühling wird gerne mit Hoffnung assoziiert, und ich frage mich immer woran das liegt. Vielleicht symbolisieren die ersten Blumen das, woran wir alle gerne glauben: die unschuldige Schönheit in der Welt, des Lebens, die trotz allem überlebt. Alles, was ich mit Sicherheit sagen kann, ist das die Monate Februar und März von Aktions- und Gedenktagen geprägt sind. In einem kurzen Zeitraum wird unglaublich viel bewegt, diskutiert, und protestiert.

Februar alleine hat schon eine besondere Stellung. In den Vereinigten Staaten, und auch immer mehr in Europa, wird Februar als ‚Black History Month‘ wahrgenommen, eine Maßnahme, um gegen das sogenannte ‚Weißwaschen‘ der Weltgeschichte vorzugehen. Warum lernen wir Geschichte aus der Perspektive von weißen Männern? Warum wird in Deutschland die Kolonialgeschichte nicht erwähnt, oder dass der erste Völkermord im 20. Jahrhundert in der deutschen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ (siehe Amnesty Journal September 2017) stattgefunden hat?

Auf Februar folgt März, und schon der erste März ist der weltweite Tag gegen Diskriminierung. Ins Leben gerufen von UN AIDS, wurde dieser Tag zum ersten Mal 2014 abgehalten. Obwohl er im Rahmen einer Kampagne gegen AIDS-Stigma eingeführt wurde, geht es an dem „Zero Discrimination Day“ darum, jede Form von Diskriminierung zu benennen und zu eliminieren. Es ist nur passend, dass genau der Monat März mit diesem Tag beginnt, denn er ist wegweisend. Diskriminierung bedeutet jede Form von Benachteiligung, die man aufgrund seiner Hautfarbe, Herkunft, sexuellen Orientierung, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, und seines Geschlechts erfährt.

Das umschließt auch die Unterdrückung der Frau, die zwar in der westlichen Welt längst nicht mehr institutionalisiert ist, sich aber trotzdem in der alltäglichen Erfahrung von Diskriminierung und Mikro-Aggressionen auf jede Frau auswirkt. Gegen diese alltägliche Diskriminationserfahrung kämpft der Weltfrauentag. Es ist ein Gedenk- und Aktionstag: Gedenken an alle die Frauen, die in der Vergangenheit für die Menschenrechte und -würde gekämpft haben, und ein Aufruf aktiv zu werden, solidarisch mit anderen Menschen, sich für seine Rechte, seine Menschenrechte als Frau, einzusetzen. Am Anfang des 20. Jahrhundert kam es öfters dazu, dass europäische und nordamerikanische Arbeiterverbände zum Weltfrauentag an einem Tag im Februar oder März ausriefen, um die institutionelle und legalisierte Unterdrückung der Frau zu protestieren. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges fand dieser Tag auch erstmals regelmäßig am 8. März statt, als Aktionstag für Anti-Krieg-Proteste. Aus den Anti-Krieg-Protesten wurde mehr, und 1975 ruft die UN erstmal zum International Women’s Day am 8. März aus. Der Tag dient dazu, auf die ungleichen Strukturen und Lebenserfahrungen der verschiedenen Geschlechter hinzuweisen, und diese zu protestieren. Da Frauenrechte auch Menschenrechte sind, ist auch dieser Tag für Amnesty International sehr wichtig.

Nur eine Woche später findet jedes Jahr am 15. März der International Aktionstag gegen Polizeigewalt statt. Die Polizei hat eine besondere Stellung im Staat, als Verkörperung des staatlichen Gewaltmonopol. Damit besitzt sie viel Macht, aber auch viel Verantwortung. Amnesty International ist sich der speziellen Stellung der Polizei bewusst: sie können zugleich Menschenrechte verletzen wie auch beschützen. Der 15. März kam auf als Aktionstag Ende des 20. Jahrhundert, um auf den Machtmissbrauch der Polizei aufmerksam zu machen. Viel zu oft wird Polizeigewalt und -brutalität nicht nachverfolgt und vertuscht, und auch Amnesty International setzt sich einigen Jahren für eine grundsätzliche Reform der Polizei ein. In Bezug auf dieses Thema hat die Menschenrechtsorganisation auch extra eine Koordinationsgruppe zur Polizei eingerichtet bei http://amnesty-polizei.de/.

Polizeigewalt ist leider sehr oft nicht nur willkürlich, sondern auch rassistisch geprägt. Seit 2014 beschäftigt sich die deutsche Sektion von Amnesty International auch verstärkt mit Rassismus in Deutschland, institutionell betrachtet sowie auf die einzelnen Menschen bezogen. Rassismus ist nicht nur ein wichtiges Thema für Amnesty, sondern auch für viele andere Menschen und Organisationen. Am 21. März ist der Welttag gegen Rassismus, ein Gedenktag an die Opfer von rassistischer Gewalt sowie ein Aktionstag, um zu mobilisieren. Eingeführt wurde der Tag 1966, sechs Jahre nach dem Massaker von Sharpeville. Am 21. März 1960 kam es bei Anti-Apartheid-Protesten in der südafrikanischen Stadt Sharpeville zu Ausschreitungen und die Polizei tötete 69 Menschen, 180 weitere wurden schwer verletzt. Der Welttag gegen Rassismus soll an sie wie an alle anderen Opfer von rassistischer Gewalt erinnern und an die gemeinsame Verantwortung, Rassismus zu bekämpfen, appellieren. Der erste Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lautet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

Des Weiteren fallen zwei weitere, für die Arbeit von Amnesty International relevante Gedenk- und Aktionstage in den März: Am 24.3 ist der Internationale Tag für das Recht auf Wahrheit über schwere Menschenrechtsverletzungen und für die Würde der Opfer, und einen Tag darauf, am 25.3 ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer der Sklaverei und des transatlantischen Sklavenhandel.

Der Internationale Tag für das Recht auf Wahrheit über schwere Menschenrechtsverletzungen und für die Würde der Opfer wurde 2010 von den Vereinten Nationen ausgerufen und ruft zum Gedenken an die Opfer von Menschenrechtsverletzungen auf. Die Notwendigkeit von Menschenrechten wird thematisiert. Vor allem der Begriff „Recht auf Wahrheit“ spielt eine besondere Rolle. Die Taktik des Verschwindenlassens ist eine viel zu oft angewendete Realität in der Menschenrechtsarbeit, und die Ungewissheit über den Verbleib ihrer Geliebten stellt eine psychische Folter für Angehörige da.

Der transatlantische Sklavenhandel war eine der größten Menschenrechtsverletzungen der Menschheitsgeschichte. 15 Millionen Menschen wurden zum Opfer eines Systems von rassistischer Gewalt und Brutalität, dessen Folgen heute noch weltweit anhalten. Der 25. März soll an die Opfer dieser Ausbeutung erinnern sowie das Bewusstsein für Rassismus sensibilisieren. Amnesty International verurteilt auch die sklavenähnlichen Arbeitsverhältnisse die heutzutage noch existieren, selbst wenn sie nicht mehr institutionell verankert sind.

Es gibt sehr viele wichtige Gedenk- und Aktionstage im März, aber auch in jedem Monat. Diese Tage sind wichtig, um auf vergangene als auch anhaltende Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen, Menschenrechtsverteidiger zu ehren, und um an die kollektive Verantwortung, Menschenrechte zu schützen, zu appellieren, Amnesty International ist eine der größten Menschenrechtsorganisationen weltweit. Diese Tage dienen dazu, sich über die eigenen Werte nochmal bewusst zu werden. Sie dienen als Reflektionsmöglichkeit, als Solidaritätsbekennung, als Motivation.

Quellen:

Amnesty International (2017), “Bedauern ohne Bezahlen“, erschienen unter https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/namibia-bedauern-ohne-zu-bezahlen (1.04.2019)

Bundeszentrale für Politische Bildung (2014), „Januar 1904: Herero-Aufstand in Deutsch-Südwestafrika“, erschienen unter http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/176142/herero-aufstand-10-01-2014 (1.04.2019)

United Nations, „International Women’s Day”, erschienen unter https://www.un.org/en/events/womensday/history.shtml (1.04.2019)

Amnesty International Deutschland (2018), “Stellungnahme zu „Strategien gegen Rassismus““, erschienen unter https://www.amnesty.de/informieren/positionspapiere/deutschland-stellungnahme-zu-strategien-gegen-rassismus (1.04.2019)

Amnesty International Deutschland, „Kampagne gegen Rassismus“, erschienen unter https://www.amnesty.de/kampagne-gegen-rassismus-deutschland (01.04.2019)

Bundeszentrale für Politische Bildung (2010), „Internationaler Tag gegen Rassismus“, erschienen unter https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/69153/internationaler-tag-gegen-rassismus-21-03-2010 (1.04.2019)

Legal Tribune Online, „Gegen das Verschwindenlassen“, erschienen unter https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/internationaler-tag-des-rechts-auf-wahrheit-verschwinden-lassen-menschenrecht/ (1.04.2019)

United Nations, „Slavery Remembrance Day”, erschienen unter https://www.un.org/en/events/slaveryremembranceday/ (1.04.2019)

Amnesty International USA, “Moving Together to End Police Brutality”, erschienen unter https://www.amnestyusa.org/moving-together-to-end-police-brutality/ (1.04.2019)

Amnesty International USA (2017), Medium, “March 15 — International Day against Police Brutality- Fighting for police accountability from Maryland to Rio, via Kingston”, erschienen unter https://medium.com/@amnestyusa/march-15-international-day-against-police-brutality-fighting-for-police-accountability-from-a265c8d212a0 (1.04.2019)

5. April 2019